Heilfasten nach Buchinger | Verzicht üben, Raum für Neues geben

Fasten liegt im Trend. Lassen Sie sich von der positiven Wirkung des Verzichts beflügeln.
Interview mit Fasten-Expertin Franziska Schmidtke

„Es geht beim Heilfasten nach Buchinger um die Frage: Was ist wirklich wichtig?“

Franziska Schmidtke ist Pharmazeutisch-technische Assistentin und Ernährungsberaterin. Sie begleitet Menschen bei allen Themen rund um Ernährung und auch beim Verzicht auf Nahrung – dem Fasten.

Was ist Fasten?

Franziska Schmidtke:
Fasten ist ein freiwilliger, teilweiser oder völliger Verzicht auf Nahrung, Genussmittel oder auch Medien für eine bestimmte Dauer. Fasten ist nicht gleich Hungern, sondern eine bewusste Entscheidung zur Selbstpflege.

Welche Formen des Fastens gibt es?

Franziska Schmidtke:
Es gibt verschiedene Arten des Fastens, zum Beispiel Wanderfasten, Rohkostfasten, Intervallfasten, Genussmittelfasten oder Heilfasten nach Buchinger. Insbesondere Wanderfasten und Heilfasten nach Buchinger lassen sich gut miteinander kombinieren. Das Heilfasten nach Buchinger besteht nicht aus einer Null-Diät. Es geht um die Zufuhr nährstoffreicher Flüssigkeiten wie Gemüsebrühen oder frische Säfte. Das erleichtert den Verzicht zum einen und ist insbesondere für Menschen mit chronischen Erkrankungen bekömmlicher.

Grundlegend empfehlenswert ist es, während des Fastens dem Körper einen guten Rhythmus aus Ruhephasen und nicht zu anstrengenden Bewegungsphasen zu geben.

Das bedeutet also nicht, dass ich intensiv Sport treiben soll?

Franziska Schmidtke:
Beim Wanderfasten geht es darum, dass Sie sich Zeit nehmen, aus der Stadt herausfahren und in der Natur einen schönen Spaziergang von etwa anderthalb Stunden machen, für Geübte auch gern länger. Gönnen Sie sich viele Pausen und bereiten Sie sich entsprechend vor. Nehmen Sie sich einen leckeren Kräutertee in der Thermoskanne mit und zur Not auch etwas Honig. Vegan Lebende können statt Honig gern auch eine getrocknete Dattel essen.

Warum brauche ich Honig oder Datteln beim Heil- oder Wanderfasten?

Franziska Schmidtke:
Honig oder eine Dattel erleichtern die sogenannte Fastenkrise. Wenn Sie bei Bedarf, optimal am Vormittag, einen Teelöffel Honig zuführen oder langsam eine getrocknete Dattel verspeisen, können Sie durch den damit ausgelösten Energieschub die Müdigkeit verjagen. Außerdem spüren Sie unangenehme Auswirkungen des Fastens nicht ganz so stark. Und während einer längeren Wanderung bringen Honig oder Datteln Energie, um die komplette Wanderung gut zu meistern.

Worauf kommt es in der Vorbereitung beim Fasten besonders an?

Franziska Schmidtke:
In der Vorbereitung ist es wichtig sich damit auseinanderzusetzen, welche Art des Fastens überhaupt zu Ihnen und Ihren Lebensgewohnheiten passt. Nicht jede oder jeder kann sich eine Woche frei nehmen, in einem Hotel Zeit verbringen und dort Wanderfasten betreiben. Manchmal reicht es auch aus, auf bestimmte Dinge eine Zeitlang zu verzichten. Das bewirkt bereits etwas.

Wie wichtig ist es, dem persönlichen Umfeld vom Fasten zu erzählen? Oder kann ich das für mich behalten?

Franziska Schmidtke:
Wer zu Hause fasten möchte, sollte die Familie mit einbeziehen und sagen: „Ich werde jetzt nichts essen. Aber ich habe alles für Euch vorbereitet, Essen eingefroren oder den Lieferdienst herausgesucht.“ Es ist zudem wichtig, eine gute Zeit zu wählen, in der nicht noch fünf Geburtstage in den nächsten zwei Wochen anstehen. Auch in der Advents- und Weihnachtszeit oder zu Silvester fällt es unheimlich schwer, so etwas durchzuhalten.

Wann ist eine gute Zeit zu fasten?

Franziska Schmidtke:
Eine optimale Zeit ist das Frühjahr und der Herbst, denn Heilfasten passt gut zum Wechsel der Jahreszeiten. Wenn Sie das erste Mal Fasten, empfehle ich Ihnen dies nur in Rücksprache mit Ihrer Ärztin und/oder einer Fastenleiterin.

Ich selbst habe auch schon im Februar gefastet und nicht damit gerechnet, dass so viel Schnee liegen könnte. Unter Anleitung eines erfahrenen Fasten-Experten nahm ich an Wanderfasten in eine Gruppe teil. Das Hotel befindet sich im Harz, neben sehr viel Schnee und Minusgraden, schien die ganze Woche die Sonne. Es war wirklich eine bereichernde Erfahrung und so wunderschön, dass ich heute noch genau weiß, wie jeder Tag war, wie ich mich gefühlt habe und ich kann mich noch gut an die Gesichter der Gruppenmitglieder erinnern. Ich denke gern an die Zeit zurück und weiß noch, wie gut ich mich mit dem Verzicht gefühlt habe.



Was hat sich verändert durch das Wanderfasten?

Franziska Schmidtke:
Ich konnte mich wieder auf wesentliche Interessen besinnen. Beispielsweise habe ich wieder angefangen zu malen. Im Alltag habe ich oft keine Zeit oder keine Gelegenheit dazu. Aber dann kam dieser kreative Moment. Ich saß in meinem Zimmer mit dem Blick auf die Berge und habe herumgekritzelt. Das Wanderfasten hat etwas mit mir gemacht, das hatte eine Befreiung, es kam zu einer Öffnung.

Durch das Fasten war Raum für etwas anderes da?

Franziska Schmidtke:
Ich musste nicht kochen, mich um nichts kümmern, außer um mich selbst. Das tat sehr gut, obwohl ich sehr gern koche! Für mich war das wie das Drücken auf die Stopptaste. Außerdem war es natürlich schön im Hotel. Es hatte Dampfsauna, Schwimmbad mit Sprudelbecken, Massage im Angebot: Ein Rundumwohlfühlprogramm. Ich konnte mich mit den anderen Leuten austauschen, aber wenn ich keine Lust hatte, dann musste ich es nicht. Ich kann es wirklich jeder und jedem empfehlen, die oder der in einer stressigen Phase ist und es ermöglichen kann, eine Woche frei zu nehmen und das einmal auszuprobieren oder als jährliches Ritual zu etablieren.

Nicht jeder Mensch kann sich einen Aufenthalt im Hotel leisten.

Franziska Schmidtke:
Das ist auch nicht unbedingt nötig. Aber geben Sie dem Fasten Raum. Wenn Sie das allererste Mal Fasten möchten, ist es empfehlenswert, sich wenigstens Urlaub zu nehmen. Es ist nicht unbedingt zu schaffen, während Sie acht Stunden am Tag arbeiten oder ein neues Projekt anklopft.

Was empfehlen Sie: Fasten alleine oder in der Gruppe?

Franziska Schmidtke:
Beim allerersten Mal empfehle ich das Fasten in der Gruppe oder unter Anleitung einer Fastenexpertin. Ansonsten ist das natürlich Typ-abhängig, keine Frage.

Wie haben Sie das Fasten in der Gruppe erlebt?

Franziska Schmidtke:
Ich habe damals Wanderfasten in einer Gruppe gemacht, hatte aber ein Zimmer für mich allein. Das war für mich sehr wichtig, weil ich dann meine Ruhe hatte. Ich brauchte zwischendurch auch die Ruhephasen für mich allein. Ich saß in meinem Stuhl mit Leberwickel, habe aus dem Fenster auf eine Tanne geguckt und bin meinen Gedanken nachgehangen. Ich habe wirklich nicht viel getan. Da brauchte ich niemanden im Zimmer, der mich irgendwelche Sachen fragt oder Musik hört, obwohl ich vielleicht gerade Stille möchte.

Auf der anderen Seite war es aber schön, herauszugehen und in den aktiven Phasen mit der Gruppe durch den Wald zu laufen. Wir tauschten uns über unsere Gefühlslage in diesem Moment aus oder führten vielleicht auch philosophische Gespräche. Nach dieser aktiven Phase konnte ich wieder in die Ruhephase kommen und sagen, jetzt brauche ich mal zwei Stunden für mich alleine.

Sie haben gerade Musik erwähnt. Welche Musik hilft beim Heilfasten?

Franziska Schmidtke:
Das ist ebenfalls Typ-abhängig. Allerdings gibt es Studien, die untersuchen, welche Musik welche Auswirkungen hat. Dabei fand man heraus, dass eine ruhige Musik oder Töne, wie Klangschale, Meditations- oder Yoga-Musik auch den Geist beruhigt. Wenn Sie zum Beispiel Metal-Rock oder 12-Ton Musik mögen, sollten Sie solch geistig-aufregende Musik während des Fastens eher nicht hören. Aber wenn Sie ein schönes, flotteres Gute-Laune-Lied mögen und Sie erleben einen Fastenkrisentag, dann spricht nichts dagegen, sich mit dem Gute-Laune-Lied in eine positive Stimmung zu bringen.

Naturgeräusche bewirken dies auch, daher ist es sehr empfehlenswert, dass wir uns in der Natur bewegen. Es wirkt heilsam, wenn der Wind durch die Blätter rauscht oder wir Vogelgezwitscher wahrnehmen. Das zeigt uns, wie verbunden wir mit der Natur und dass wir keine autarken Wesen sind. Im Zeitalter der Digitalisierung sind Naturgeräusche und Co. per Internet hörbar. Eine prima Alternative, wenn es ihnen nicht möglich sein sollte, in die Natur zu fahren.

Aber man sollte doch den Medienkonsum beim Heilfasten herunterfahren?

Franziska Schmidtke:
Genau, Musik wäre da eine Ausnahme. Aber wenn Sie eine Woche fasten, sagen Sie Ihrem Freundeskreis: Ich bin jetzt nicht erreichbar, ich mache mein Handy aus, kein Fernsehen, kein Social Media-Konsum. Wenn Sie im Hotel sind, kann Ihre Familie Sie in Notfällen über die Telefonnummer des Hotels anrufen. Fasten ist eine Zeit, um sich nur auf sich zu besinnen. Wenn Sie über bestimmte Dinge nachdenken, dann nehmen Sie doch wieder mal Papier und Stift zur Hand und schreiben Ihre Gedanken auf.

Um es noch einmal zu betonen: Beim Fasten geht es nicht darum, die Kalorienzahl zu reduzieren. Es geht um Verzicht.

Franziska Schmidtke:
Genau. Es geht um Kontemplation, darum, dass Sie wieder zu sich selbst finden und in der Überflussgesellschaft, in der wir alles zur Verfügung haben, den Reset-Knopf drücken. Es geht um die Frage: Was ist wirklich wichtig, für mich?

Was mache ich, wenn mein Partner, meine Partnerin Fasten nicht gut findet und es zu Konflikten kommt. Wie gehe ich damit um?

Franziska Schmidtke:
Fasten ist eine bewusste Entscheidung für einen Lebensstil. Denn jede Veränderung bewirkt eine Offenbarung. Das kann auch zu Konflikten führen und Angst machen. Wichtig ist es, sich bewusst damit auseinanderzusetzen. Gehen Sie ins Gespräch, setzen Sie sich mit Ihren Ängsten auseinander. Das heißt, verdrängen Sie Gefühle nicht, sondern sprechen Sie sie offen an und nehmen Sie sie wahr.

Es ist okay, wenn der Partner oder die Partnerin sagt: Fasten ist nichts für mich. Es ist in einer Partnerschaft immer gut, auch etwas für sich selbst zu machen. Unterschiedliche Interessen können eine Partnerschaft beflügeln. Die Fastenzeit endet auch wieder, dann gewinnt das Kochen und das Essen in Gemeinschaft mit dem Partner, der Partnerin oder mit Freunden an Bedeutungskraft.

Liebe Frau Schmidtke, vielen Dank für das Interview!