Anthroposophische Medizin – das medizinische Erbe von Rudolf Steiner
Bei anthroposophischer Medizin denkt man schnell an eines der Aushängeschilder der Anthroposophie: Waldorfschulen. Schnell kommen Vorurteile in den Sinn, die man von diesen pädagogischen Einrichtungen kennt, und man fragt sich: Streichelt ein anthroposophischer Mediziner Beschwerden weg? Muss man seine Krankheit tanzen? Weit gefehlt.
Waldorfschulen sind wertvolle und anerkannte Partner in der Bildung unserer Kinder. Auch die anthroposophische Medizin verdient mehr Anerkennung, statt vorschnell in eine Schublade gesteckt zu werden. In diesem Artikel stellen wir Ihnen diese kraftvolle Ergänzung und Erweiterung zur Schulmedizin vor, die sich seit rund 100 Jahren bewährt hat.
Anthroposophie ist eine Weltanschauung, die Dr. Rudolf Steiner vor rund 100 Jahren entwickelte. Das Wort bedeutet „Menschenweisheit“, es ist eine Kombination aus dem altgriechischen ánthrōpos, das „Mensch“ bedeutet, und sophίa, das übersetzt „Weisheit“ heißt.
Anthroposophen glauben, dass es neben dem sinnlich Erfahrbaren auch eine übersinnliche Ebene gibt, die unser Leben beeinflusst und durchdringt – im Gegensatz zu materialistischen Ansichten. Jenseits der materiellen Welt gibt es also seelisch-geistige Realitäten. Um diese zu erkennen, bedarf es einen Weg der Übung und Schulung.
Die Ausprägungen der Anthroposophie sind vielgestaltig. Rudolf Steiner prägte nicht nur die Waldorfpädagogik, sondern auch die Medizin, Krankenpflege, Landwirtschaft, Architektur, Kunst und Heilpädagogik. Seine Ideen haben all diese Bereiche nachhaltig beeinflusst.
Rudolf Steiner und Dr. med. Ita Wegmann entwickelten auf Basis der Anthroposophie die Anthroposophische Medizin. Ihr Ziel ist es, die physischen, seelischen und geistigen Gegebenheit des Menschen zu erforschen und zu verstehen, wie sie mit Natur verknüpft sind.
Anthroposophische Medizin ist eine Komplementärmedizin, die schulmedizinische Konzepte ergänzt. Sie unterscheidet vier verschiedene Ebenen, Wesenseinheiten genannt, wie den physischen und den ätherischen Leib, den astralischen Leib und das Ich.
Bei einem gesunden Menschen sind alle Ebenen in Harmonie, eine Störung der Harmonie äußert sich in einer Krankheit. Eine Krankheit gilt nicht als Defekt, sondern als Dysbalance des Organismus.
Neben medikamentösen Therapien kommen auch Verfahren wie Heileurythmie, rhythmische Massage, Biographiearbeit oder Kunsttherapie zum Einsatz. Ziel ist eine Aktivierung der Selbstheilungskräfte.
Anthroposophische Mediziner*innen sind ausgebildete Ärzt*innen, die eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben, die anthroposophische Heilkunst selbst steht aber auch anderen zur Verfügung. Heilpraktiker*innen, Therapeut*innen, Pflegekräfte können anthroposophisch – also nach den Grundsätzen der Anthroposophie – arbeiten.
Anthroposophische Mediziner*innen bauen bei der Behandlung eines Menschen auf die Schulmedizin auf. Sie nutzen moderne Diagnoseverfahren und Therapien. Darüber hinaus berücksichtigen sie psychische und biografische Faktoren wie die Persönlichkeit des/der Patient*in und Besonderheiten seines/ihres Lebens. Das bedeutet, sie beachten Körperbau, Sprache, Schlafverhalten, Atmung und vieles mehr in der Anamnese und Diagnostik.
Anthroposophie geht von einer dreigliedrigen Aufteilung der Natur aus. Es gibt eine mineralische, pflanzliche und tierische Welt, so die Auffassung. Anthroposophische Arzneimittel spiegeln in ihrer Zusammensetzung diese Aufteilung wider. Die fertige Komposition soll die Gesundung von Körper, Geist und Seele unterstützen.
Nichtmedikamentöse und physikalische Maßnahmen wie Heileurythmie, rhythmische Massage, künstlerische und Gesprächstherapien ergänzen das ganzheitliche Behandlungskonzept. Dazu gehören auch gezielte Ernährung, Sport und Stressreduzierung.
Die drei Ebenen physischer, ätherischer und astralischer Leib steuern und beeinflussen sich gegenseitig. Die vierte Ebene als Zentrum der Persönlichkeit organisiert die Vermittlung. Neben der Dreiteilung Körper, Seele, Geist ist der Mensch in drei Körperregionen geordnet: das Nerven-Sinnes-System und das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System, zwischen beiden vermittelt das Rhythmische System. Auf diesem Gedankensystem gründen anthroposophische Mediziner*innen Anamnese und Diagnosen.
Krankheit ist kein Schaden, den es zu beheben gilt wie bei einem Motor. Sie ist Ausdruck eines Ungleichgewichtes und zugleich Chance für das Individuum, sich weiterzuentwickeln und Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Behandlung nach anthroposophischer Medizin zielt darauf ab, die verschiedenen Ebenen und Körperregionen wieder in Einklang und Balance zu bringen.
Eine Krankheit ist ein Ausdruck der Seele und des Geistes. Die Art der Erkrankung lässt daher Rückschlüsse auf die betroffenen Anteile des Menschen schließen.
Anthroposophische Mediziner*innen behandeln ihre Patient*innen auf Grundlage eines ganzheitlichen Konzeptes. Zum Einsatz kommen
- naturbasierte, innerlich und äußerlich angewendete Arzneimittel
- gesunder Lebenswandel, z.B. Umstellung der Ernährung, Stressmanagement, Bewegung
- Körpertherapien wie rhythmische Massage
- Eurythmietherapie
- künstlerischen Therapien (wie Plastizieren, Malen, Musiktherapie, Sprachtherapie)
Behandlungen sind stets individuell und biographiebezogen. Leidet ein Patient an Bluthochdruck, kann es sein, dass eine andere Person mit demselben Krankheitsbild eine völlig andere Behandlung benötigt. Dies liegt daran, dass die Symptome unterschiedliche Ursachen oder Dysbalancen haben können. Gemeinsam bei allen Behandlungen ist, dass nicht nur das Symptom „erhöhter Blutdruck“ behandelt wird. Vielmehr setzen die Mediziner*innen ein ganzheitliches Konzept ein, das die Selbstheilungskräfte aktiviert, den Organismus ins Gleichgewicht bringt und somit nachhaltig wirkt.
Anthroposophische Medizin betrachtet, ebenso wie Homöopathie, den Menschen ganzheitlich und individuell. Beide Verfahren sehen Krankheit nicht als Defekt, sondern als Chance zur Entwicklung.
Ebenfalls geht es Therapeut*innen beider Richtungen darum, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Wirkstoffe anthroposophischer Medikamente werden häufig in homöopathischer Form potenziert, allerdings nur bis maximal D30. Anthroposophie wählt Wirkstoffe nicht nach dem homöopathischen Prinzip der Ähnlichkeit aus, sondern orientiert sich an ihrer Entstehungsgeschichte und dem Stoffwechsel der Substanz. Dabei spielen die Gestalt und das Wesen der Pflanzen eine zentrale Rolle. Das Medikament durchläuft im pharmazeutischen Herstellungsprozess einen natürlichen Lebensprozess, der den Heilprozess des erkrankten Organs widerspiegelt.
Möchten Sie mehr über Homöopathie wissen? Dann klicken Sie hier.
Vor rund hundert Jahren entwickelten Rudolf Steiner und die Ärztin Ita Wegmann gemeinsam das Konzept der integrativen Medizin. 1925 veröffentlichten sie es in dem Buch „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“, nachdem Steiner seine Ideen zuvor in zahlreichen Vorträgen dargelegt hatte.
Die Niederländerin Maria Ita Wegman (*1876 in Indonesien, †1943 in der Schweiz) war eine außergewöhnliche Frau und eine Pionieren auf vielen Gebieten. Sie erwarb ein Diplom in Heilgymnastik und Massage und eröffnete in Berlin eine Praxis für physikalische Therapie.
Mit 30 Jahren schrieb sie sich in der Universität von Zürich für das Medizinstudium ein – in einer Zeit, in der es keineswegs üblich war, dass Frauen studieren. 1921 gründete sie in Arlesheim in der Schweiz das Klinische und Therapeutische Institut, ein Krankenhaus, das Anthroposophische Medizin einsetzte. Im selben Jahr gründete sie mit Rudolf Steiner das Unternehmen Weleda, neben Wala noch heute weltweit führender Hersteller von ganzheitlicher Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln.
Rudolf Steiner (*1861 in Kroatien, †1925 in der Schweiz) war vielfältig interessiert. Er war Philosoph, Naturwissenschaftler, Publizist, Freidenker und Goethe-Forscher. Seine Ideen sind heute noch lebendig und hallen nach in Waldorfpädagogik, biologisch-dynamischer Landwirtschaft, Kunst, Architektur oder eben der anthroposophischen Medizin.
Fazit: Anthroposophische Medizin
Als Ergänzung zur Schulmedizin hat sich die anthroposophische Medizin bewährt. Ihr ganzheitlicher Blick auf das Individuum ist besonders wertvoll, da er nicht nur Symptome und Defekte kurieren will, sondern tiefergehende Ursachen berücksichtigt.
Wenn Sie Fragen zu anthroposophischen Medikamenten oder ganzheitlicher Naturkosmetik haben, sprechen Sie uns gerne an. Wir sind gerne für Sie da.